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Informationspflichten bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr + Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten bei Abmahnungen – OLG Hamm, Urteil vom 23.10.2012 – Az. I-4 U 134/12

Informationspflichten bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr + Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten bei Abmahnungen – OLG Hamm, Urteil vom 23.10.2012 – Az. I-4 U 134/12 Informationspflichten bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr + Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten bei Abmahnungen – OLG Hamm, Urteil vom 23.10.2012 – Az. I-4 U 134/12
Autor: Johnny Chocholaty LL.B.

Veröffentlicht: 19.04.2013

datenberg mister Vertilger photocase comMit Urteil vom 23.10.2012 (Az. I-4 U 134/12) hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden, dass das Fehlen einer Information über die Speicherung und Zugänglichmachung des Vertragstextes für den Kunden nach Vertragsschluss abmahnungsfähig ist. Zudem hat sich das OLG Hamm im Detail mit der Frage befasst, ob ein abmahnender Unternehmer von seinem abgemahnten Konkurrenten die Kosten für seinen Rechtsanwalt ausnahmsweise auch in Form von Schadensersatz in Geld verlangen kann – obwohl er selbst den Anwalt bislang noch gar nicht bezahlt hat.

Bildnachweis: Mister Vertilger / PHOTOCASE

Das OLG Hamm führte hierzu aus:

Es (das Angebot des Beklagten / Ergänzung des Autors) verstieß zudem mangels Informationen zum Abruf und zur Speicherung des Vertragstextes gegen § 312g Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB.

Die vorgenannten Vorschriften stellen Marktverhaltensregeln zum Schutze des Verbrauchers nach § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung die Interessen der Verbraucher spürbar i.S.d. 3 Abs. 2 UWG beeinträchtigt (BGH GRUR 2010, 1142 – Holzhocker; Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 4 UWG Rdnr. 11.170).

Der Verstoß gegen diese Verbraucherrechte hat europarechtlichen Bezug.

Das Vorenthalten dieser Informationen stellt einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG dar. Bei den vorenthaltenen Angaben handelt es sich auf Grund der gesetzlichen Vermutung des § 5a Abs. 4 UWG um gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG („UGP-Richtlinie“) „wesentliche“ Informationen, da die genannten Vorschriften die FernabsatzRG sowie die E-CommerceRL 5, 10 und 11 umsetzen (Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 312c BGB Rdnr.1, § 312g BGB Rdrn.1). Das Vorenthalten der nach § 5a Abs. 4 UWG als wesentlich in Bezug genommenen Verbraucherinformationen nach den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien ist unwiderleglich als „spürbare Beeinträchtigung“ der Entscheidungsfähigkeit des Verbrauchers i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG anzusehen (BGH GRUR 2010, 852 – Gallardo Spyder).

Darüber hinaus ist das Urteil des OLG Hamm aus anderen Gesichtspunkten interessant: Dem Kläger wurde, obwohl er seinen Anwalt, den er mit der Abmahnung beauftragt hatte, noch nicht bezahlt hatte, ein Anspruch auf Zahlung der entstandenen Anwaltskosten gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1, 250 S. 2 BGB zugesprochen. Grundsätzlich steht dem Abmahnenden ein Ersatzanspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG für erforderliche Aufwendungen zu. Er hat nach§ 257 S.1 BGB einen Anspruch auf Freistellung von der Honorarforderung gegenüber seinem Anwalt. Davon abweichend hat der Kläger nach Auffassung des OLG Hamm in diesem Fall jedoch gemäß § 281 Abs. 1 S.1 BGB die Möglichkeit statt der Leistung nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Schadensersatz in Geld (§ 250 S. 2 BGB) zu verlangen.

Das OLG Hamm führt hierzu aus:

aa) Die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB sind erfüllt.

(1) § 281 BGB gilt grundsätzlich für alle Schuldverhältnisse, mithin auch für das durch den vorangegangenen Wettbewerbsverstoß begündete und die Abmahnung konkretisierte gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner und damit auch für den Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

Vom Anwendungsbereich des § 281 BGB ausgenommen sind lediglich Schadensersatzansprüche auf Naturalrestitution – und um einen solchen handelt es sich gerade nicht -, für die § 250 BGB als lex specialis die Funktion von § 281 BGB übernimmt (BeckOK-Schubert, Stand: 01.11.2011, § 250 BGB Rdnr. 1; Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 281 BGB Rdnr. 6).

Ferner ist nur bei Ansprüchen auf Leistung von Geld – und auch um einen solchen handelt es sich nicht – ist eine Umsetzung in eine Schadensersatzverbindlichkeit regelmäßig nicht von Interesse. Die Vorschrift des § 281 BGB ist insoweit funktionslos, da der dem Gläubiger durch die Nichtleistung von Geld entstehende Schaden einschließlich aller Folgeschäden durch § 280 Abs. 2 BGB i.V.m. § 286 BGB vollständig erfasst wird (BeckOK-Unberath, Stand: 01.03.2011, § 281 BGB Rdnr. 7; MünchKomm-Ernst, 6. Aufl., § 281 BGB Rdnr. 9).

(2) Eine angemessene Frist zur Erfüllung der Freistellungspflicht gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Kläger der Beklagten bereits mit der Abmahnung vom 09.09.2012 gesetzt. Die zu begleichende Forderung ist in der Abmahnung im Einzelnen dargetan. Dass womöglich erst hierdurch die Fälligkeit des Freistellungsanspruches eingetreten ist, steht der Wirksamkeit der (gleichzeitigen) Fristsetzung nicht entgegen (vgl.      Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 286 BGB Rdnr. 16 zur Mahnung).

Tatsächlich war eine solche Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 2 BGB aber auch spätestens mit der Reaktion der Beklagten auf diese Abmahnung ohnehin entbehrlich. In ihrem anwaltlichen Schreiben vom 16.09.2011 wies die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nämlich generell zurück und stellte damit auch den Freistellungsanspruch des Klägers dem Grunde nach in Abrede.

(3) Die Möglichkeit des Klägers, nunmehr ohne weiteres Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, und zwar ohne Ablehnungsandrohung (§ 326 BGB a.F.) oder rechtskräftiges Leistungsurteil (§ 283 BGB a.F.) rechtfertigt sich aus der Pflichtverletzung der Beklagten. Sie beruht auf der Nichterfüllung der ihr aus §§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG, 257 BGB obliegenden Verpflichtung, den Kläger von dessen Verbindlichkeit gegenüber seinem Anwalt freizustellen.

bb) Der Kläger kann somit gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 S. 2 BGB Schadensersatz, und zwar in Geld verlangen.

Zwar fehlt es in der Abmahnung vom 09.09.2011 an einer Ablehnungsandrohung i.S.d. § 250 S. 1 BGB. Jedoch macht die mit dem Schreiben der Beklagten vom 16.09.2011 ernsthafte und endgültige Verweigerung der Freistellung dem Grunde nach auch eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 S. 1 BGB entbehrlich (vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 250 BGB Rdnr. 2).

Der Beklagten steht damit nunmehr keine Alternative im Rahmen der Naturalrestitution des Schadens nach § 249 S. 1 BGB mehr zu. Denn das Interesse der Beklagten, als Befreiungsschuldner selbst zu bestimmen, wie sie die ihr obliegende Freistellung bewirkt, ist nur solange schützenswert, als sie überhaupt zur Leistung bereit ist. Lehnt sie diese generell ab, tritt ihr Interesse hinter dem des Gläubigers wegen des Verzuges nicht in Vorleistung treten zu müssen, wenn er zur Vereinfachung – ähnlich einem Vorschussverlangen nach § 669 BGB – unmittelbar auf Zahlung klagen kann, zurück.

Im Ergebnis konnte der Abmahnende eBay-Händler erfolgreich Schadensersatz statt der Leistung verlangen und so die Kosten für seinen Anwalt in Geld vom Abgemahnten verlangen, obgleich er seinen Anwalt bislang noch nicht bezahlt hatte. Zudem ist bei Online-Shops darauf zu achten, dass ein Hinweis darüber, ob der Vertragstext nach Vertragsschluss gespeichert wird und dem Kunden zugänglich ist, enthalten ist (vgl. § 312g Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB).


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